Die dunklen Schatten der Vergangenheit oder völlig unpolitisch und naiv?

Vergessene Orte der Vergangenheit -Loste Places- bilden immer wieder spannende Locations für tolle Erlebnisse und einmalige Geschichten, sei es, dass man sie auf eigene Faust erkundet, vielleicht gelenkt und geleitet durch einen Geocache oder im Rahmen einer Führung oder eines Events. Dazu gibt es unzählige gelungene Beispiele, die seitens der Community mal mehr, mal weniger feinfühlig umgesetzt worden sind.

Doch das Mega-Event an Deutschlands längster Ruine, dessen Listing vor ein paar Tagen veröffentlicht wurde, lässt den einen oder anderen inzwischen ungläubig mit dem Kopf schütteln.

PRORA 2013

Zu dem Event an sich kann man sicher stehen wie man mag. Ob sich eine solche Event-Location -betreut vom deutschen Jugendherbergswerk- noch „Lost“ nennen kann, selbst wenn weite Teile der Beton gewordenen Phantastereien eines dunklen Zeitalters unserer Geschichte tatsächlich leerstehen, ist die eine Seite.

Ob der Veranstalter es schafft, mit einem versteckten Hinweis in den FAQ, dass das Betreten bei Lebensgefahr verboten ist, seine Zielgruppe zu erreichen, oder er auf diese Weise vielleicht etwas zu blauäugig an das Thema herangeht, ist nur eine weitere Facette. (JR849: Lebensgefährlich und verboten) Selbst wenn dort ständig Muggel auf verbotenem Terrain unterwegs sind, nach einer solchen Veranstalltung werden es immer „die Geocacher“ sein, die sich nicht an die Regeln gehalten haben, selbst wenn dort auf Jahre keine Dose mehr liegt.

Respektvoller Umgang mit der Vergangenheit?

Diese gigantomanische Location, der Koloss von Prora, ist dem Gedankengut des Nationalsozialismus entsprungen. Die ausführende Organisation „Kraft durch Freude“ (KDF) hatte das Ziel „dem deutschen Volk (Leistungs-)„Kraft“ zu verleihen, [… ] um aus den Deutschen ein körperlich gesundes, kriegstüchtiges Volk zu machen“. (Quelle: Wikipedia)

Einen Eindruck von der Location und von den Umständen und Zielen, unter denen sie errichtet worden ist, vermittelt sicher das nachfolgende Video ganz gut.

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Danach mag jeder für sich selbst beurteilen, ob ein Programm wie das nachfolgende (ein Auszug aus dem Listing von 14.03.2013) dem Veranstaltungsort und seiner Vergangenheit angemessen ist.

Prora 2013 Auszug Listing (14.03.2013)

Gut, die Spartakiade entstammt gedanklich einer anderen Zeit, wurde aber auch vom politischen System des Ostblocks mit Massenaufläufen, Leistungsschau und Heldengeschichten zur Selbstdarstellung und Propaganda ausgeschlachtet.

Aber ob man vor dem geschichtlichen Hintergrund in einer „KDF-GC-Mall“ unbefangen bummeln und shoppen kann? Oder blendet der gemeine Geocacher solche „Randnotizen“ einfach aus und widmet sich seinem Vergnügen?

Und nein, ich bin mitnichten ein ewig Gestriger, nur wenn man sich an historischen Orten bewegt, dann sollte man mit entsprechendem Respekt vor dem Ort und denen, die von seiner Vergangenheit betroffen waren, handeln.
Dies gilt umso mehr, wenn man eine gewisse Öffentlichkeit als Zielgruppe hat. Der eine sieht eine naive Handlung oder unbedachte Äußerung, die mit der Vergangenheit eines solchen Ortes spielt, als witzig an, derjenige, dessen Leben vielleicht in jungen Jahren davon geprägt wurde, empfindet es dagegen als verletzend, beleidigend oder gar als provozierend. Und diesem Umstand gilt es Rechnung zu tragen.

Ein Gedanke zu „Die dunklen Schatten der Vergangenheit oder völlig unpolitisch und naiv?

  1. Ich finde, die Problematik zu überdenken, ist legitim. Trotzdem:
    Statt dieser manchmal fast reflexartiger Betroffenheit, immer wenn jemand „Autobahn“ sagt :) , wäre mir ein wenig Ehrlichkeit lieber. Und Selbstkritik.

    Und die Erkenntnis, daß dieses (richtige und notwendige) Aufdecken und Anprangern (fast hätte ich Nazibashing geschrieben) leider zu oft benutzt wird, um von der Gegenwart abzulenken.

    Wir tragen Klamotten, welche unter Zwangsarbeiterbedingungen hergestellt werden, fahren die Fortsetzung des KdF-Wagens, leben von Firmen, deren Existenz und Größe nicht zuletzt auf den Geschäften im dritten Reich incl. Zwangsarbeit beruht. Und wir huldigen genauso einem von oben bestimmten „….ismus“ (wie immer der heißt), der uns zu ziemlich unsauberen Verhalten drängt – mittlerweile auch wieder dank irgendwelcher Bündnissen sogar in anderen Ländern der Welt – manche sagen, nicht zu deren Segen. Und daß wir gefeit davor sind, irgendwelchen dubiosen Figuren zuzujubeln, kann man jetzt auch nicht behaupten.

    So sind WIR – der Mensch. Das ist nicht irgendeine dämonische Macht, die zu sowas führt.

    Und Prora ist ein Gebäude*. Punkt. Ein Zeitzeuge. Das vielleicht erzählen kann – aber nicht verantwortlich ist dafür, was da passiert ist. Wie so viele Gebäude, die wir täglich benutzen und daran vorbeilaufen. Die halten da schon aus, wenn da ein Quatsch veranstaltet wird – und wenn Leute da nix denken, auch. Vielleicht denkt aber auch jeder hunderste was – das ist vielleicht sogar ein besserer Schnitt als bei den Colloseum-oder Petersdom-Besuchern.

    Gruß Zappo

    *….und um Längen schöner** und wahrscheinlich auch umweltschonender als jede andere Bettenburg, mit der wir die europäischen Strände und das Hinterland so ziemlich jeden Landes versaut haben – und die wir benutzen, OHNE was zu denken.

    **kann vieleicht nur ein Architekt denken – sorry :))

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